Die Kommunikation rund um Krebs ist für alle eine Herausforderung. Dr. Corinne Urech vom Universitätsspital Basel erklärt, wie man dieser begegnen kann und wieso eine offene Kommunikation hilfreich sein kann.
Dr. Urech, wie kann man über Krebs kommunizieren?
Dr. Corinne Urech: Jede Erkrankung, jede Krebsart und jeder Mensch sind sehr unterschiedlich. Darum gehen wir auch alle anders mit einer Erkrankung um und je nach Person stehen andere Themen im Vordergrund. Es gibt deshalb nicht nur einen Weg, um über Krebs zu kommunizieren. Ich werde ein paar Dinge mitgeben, die als Anhaltspunkte dienen können, aber am Schluss sind der Umgang mit einer Krebserkrankung und die Kommunikation sehr individuell.
Weshalb ist Kommunikation bei Krebs wichtig?
Krebs ist eine existenzielle Bedrohung, es geht um Leben und Tod. Indem man darüber spricht, muss man sich damit auseinandersetzen und kann diese Last mit jemandem teilen. Kommunikation kann auch bei der Entscheidungsfindung helfen. Wenn man gewisse Themen mit dem Gegenüber bespricht, ist es oft einfacher, Entscheidungen zu treffen. Ausserdem kann Kommunikation helfen, Ängste abzubauen, indem man die Dinge offen ausspricht. Vielleicht hat mein Gesprächspartner eine andere Perspektive, die ich noch nicht gesehen habe. Und nicht zuletzt schafft Kommunikation auch sehr viel Nähe, was gerade in so einer belastenden Situation enorm wichtig ist.
Was gilt es bei der Kommunikation mit Angehörigen zu beachten?
Es ist wichtig, sich bewusst zu werden, dass das Gegenüber keine Gedanken lesen kann. Angehörige wissen oft nicht, was den Betroffenen gerade gut tun würde. Je offener die Kommunikation ist, desto weniger Missverständnisse gibt es. Wer seine Bedürfnisse offen kommuniziert, erleichtert es dem Umfeld, konkrete Unterstützung anzubieten.
Muss die Kommunikation immer mündlich stattfinden?
Der Umgang mit einer Krebserkrankung kann auf vielen Wegen stattfinden. Den einen hilft es, sich mit dem Partner, der Familie oder Freundinnen auszutauschen, für andere ist Schreiben der beste Weg. Wieder andere machen die Dinge am liebsten mit sich selbst aus, gehen in die Natur und hängen ihren Gedanken nach. Alles, was hilft und gut tut, soll man machen.
Wie kann man sich abgrenzen, wenn man manchmal nicht über den Krebs sprechen möchte?
Es ist gar nicht möglich, mit allen immer offen und transparent über die Erkrankung zu sprechen. Deshalb ist es wichtig, für sich selbst einzuteilen und zu entscheiden, wann man mit wem darüber sprechen möchte. Ich rate Betroffenen, sich auch bewusst krebsfreie Zeiten einzuplanen. Das kann dem Umfeld schon im Vorhinein kommuniziert werden. Wenn man beispielsweise einen Abend mit Freunden plant, dann kann man schon vorher sagen, dass man sich sehr auf die gemeinsame Zeit freut, aber an diesem Abend lieber nicht über den Krebs sprechen möchte.
Manchmal wird man aber auch unvorbereitet auf das Thema angesprochen. Was raten Sie Betroffenen bei spontanen Begegnungen?
Vielen hilft es, sich einen Standardsatz zurechtzulegen. Wenn man beispielsweise auf einem Spaziergang jemanden trifft, der fragt, wie es geht, dann kann man sagen: «Ich schätze es sehr, dass du nachfragst. Es geht mir den Umständen entsprechend gut, aber ich bin gerade auf einem Spaziergang und möchte gerade nicht über den Krebs sprechen.»
Wie kann man in einer Paarbeziehung kommunizieren?
Hier kommt hinzu, dass auch die Partner*innen mitbetroffen sind und oft sehr leiden. Ausserdem hat man an den Partner/die Partnerin noch viel mehr den Anspruch, sie müssten spüren, was man braucht. Ich rate Paaren dazu, Bedürfnisse klar zu kommunizieren und beispielsweise direkt zu sagen, wenn man gerne in den Arm genommen werden möchte. So kann man Missverständnissen vorbeugen. Auch in einer Beziehung spricht man lieber über die schönen Dinge im Leben. Aber wenn man es schafft, über Ängste und Schwierigkeiten zu sprechen, schafft das eine ganz andere Art von Nähe und Beziehung.
Weitere Fragen und ausführliche Antworten von Dr. Urech mit noch mehr Informationen und Tipps gibt es im «Leben mit Krebs»-Podcast: «Kommunikation: Vom Worte finden, Grenzen setzen & Gedanken lesen».
Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung von «Leben mit Krebs», Journalistin: Nadine Gantner.
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