30 Oktober 2024

Recht im Alter: Handlungsunfähigkeit – was Sie heute vorkehren können

Ein älteres Paar sitzt an einem Tisch mit einer Anwältin.

Einen Fernseher kaufen, Schenkungen vornehmen oder jemandem etwas ausleihen – kurz: Rechtsgeschäfte zu tätigen - ist für uns alltäglich. Doch was, wenn Sie Ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen können? Wer besorgt Ihre Rechtsgeschäfte und welche Vorkehrungen können Sie treffen, um sich für den Fall einer Handlungsunfähigkeit abzusichern?

Wann wird eine Beistandschaft errichtet?

Eine Beistandschaft wird errichtet, wenn eine Person aufgrund mangelnder Urteilsfähigkeit nicht mehr handlungsfähig ist und damit ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann. Als urteilsfähig gilt eine Person, die in der Lage ist, die Tragweite der eigenen Handlungen zu begreifen und sich entsprechend dieser Einsicht zu verhalten. Eine Beeinträchtigung dieser Fähigkeit entsteht oftmals im Alter, insbesondere aufgrund von Demenzerkrankungen, kann jedoch auch sehr abrupt z.B. als Folge eines Unfalles auftreten.

Ob die Urteilsfähigkeit und damit die Handlungsfähigkeit einer Person gegeben ist, kann nicht generell beantwortet, sondern muss stets in Relation zum betreffenden Rechtsgeschäft gesetzt werden. So kann beispielsweise die Urteilsfähigkeit in Bezug auf einen Einkauf beim Bäcker gegeben sein, nicht jedoch in Bezug auf die Regelung komplexer finanzieller Angelegenheiten, wie etwa der Verwaltung eines Immobilienportfolios.

Gibt es verschiedene Formen der Beistandschaft?

Ja. Die Form der Beistandschaft und der konkrete Aufgabenbereich des Beistandes oder der Beiständin werden im Einzelfall anhand der Bedürfnisse der betroffenen Person festgelegt. Bei einer Begleitbeistandschaft berät und unterstützt der Beistand die betroffene Person lediglich in ausgewählten Bereichen. Die verbeiständete Person handelt aber uneingeschränkt selbst weiter. Im Falle einer Vertretungsbeistandschaft können die verbeiständete Person oder der Beistand grundsätzlich alternativ Verträge abschliessen, vorausgesetzt, die Handlungsfähigkeit der verbeiständeten Person wird nicht in Bezug auf einzelne Bereiche eingeschränkt. Bei der Mitwirkungsbeistandschaft bleibt die verbeiständete Person ebenfalls grundsätzlich frei, Entscheidungen zu treffen und Rechtsgeschäfte abzuschliessen. Der Beistand muss die Rechtsgeschäfte innerhalb des von der Beistandschaft erfassten Bereiches allerdings genehmigen.

Demgegenüber kommen dem Beistand bei einer umfassenden Beistandschaft die Entscheidungs- sowie Vertretungsbefugnis in (fast) allen Angelegenheiten der Personensorge, der Vermögenssorge sowie im Rechtsverkehr zu und die verbeiständete Person kann nicht mehr selbst rechtsgültig handeln.

Wird bei Urteilsunfähigkeit in jedem Fall eine Beistandschaft errichtet?

Das Gesetz sieht vor, dass die Bestellung eines Beistands subsidiär zum Tragen kommt. Das heisst, eine Beistandschaft wird erst errichtet, wenn sämtliche anderen Optionen ausgeschöpft wurden.

Wer wird als Beistand ernannt?

Wird über eine Person eine Beistandschaft errichtet, so wird in jedem Fall eine bestimmte Person zum Beistand bzw. zur Beiständin ernannt. Die Person muss einerseits über die erforderlichen fachlichen Fähigkeiten verfügen, andererseits aber auch in persönlicher Hinsicht geeignet sein, d.h. z.B. eine gewisse Lebenserfahrung mitbringen.

Die von der Beistandschaft betroffene Person hat die Möglichkeit, eine bestimmte Person für das Amt des Beistandes vorzuschlagen (sofern ihr dies unter den konkreten Umständen möglich ist) und hat das Recht, die von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) vorgeschlagene Person abzulehnen. Die beste Möglichkeit ist jedoch die private Vorsorge mittels Vorsorgeauftrag (dazu nachfolgend).

Was ist ein Vorsorgeauftrag und was können Sie darin festhalten?

Der Vorsorgeauftrag ist ein Dokument, in welchem Sie eine Person beauftragen können, im Falle Ihrer Urteilsunfähigkeit Ihre Personen- oder Vermögenssorge zu übernehmen oder Sie im Rechtsverkehr zu vertreten. Der Vorsorgeauftrag muss entweder von Hand verfasst, datiert und unterzeichnet oder öffentlich beurkundet werden.

Häufig werden Personen aus der Familie oder aus dem sonstigen näheren Umfeld als vorsorgebeauftragte Personen bestimmt. Im Vorsorgeauftrag sollte so genau wie möglich umschrieben werden, welche Aufgaben die beauftragte Person wahrnehmen soll. Es ist auch möglich, für die verschiedenen Bereiche unterschiedliche Personen zu beauftragen, so etwa eine Person aus der Familie für die Personensorge und eine andere Vertrauensperson für die Vermögenssorge und die Vertretung im Rechtsverkehr. Zudem ist es sinnvoll, Ersatzbeauftragte zu bestimmen, für den Fall, dass die hauptbeauftragte Person das Amt nicht annehmen kann oder möchte.

Sollten Sie urteilsunfähig werden, prüft die KESB zunächst, ob Sie gültig einen Vorsorgeauftrag errichtet haben und ob dieser in Kraft zu setzen ist. Erweist sich die beauftragte Person für die Aufgaben als geeignet und nimmt sie den Auftrag an, so wird ihr der Auftrag erteilt.

Um sicherzustellen, dass Ihr Vorsorgeauftrag gültig errichtet und im Ernstfall gefunden wird, ist eine rechtliche Beratung zu empfehlen. Das Zivilstandsamt kann zudem in der zentralen Datenbank vermerken, dass ein Vorsorgeauftrag besteht und wo dieser hinterlegt ist.

Was ist eine Patientenverfügung?

Patientenverfügungen werden oftmals zeitgleich mit dem Vorsorgeauftrag errichtet. In einer Patientenverfügung können Sie festlegen, welchen medizinischen Massnahmen Sie im Falle Ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmen oder, wer darüber entscheiden soll, wenn Sie Ihre Entscheidungen nicht mehr mitteilen können.

Ohne Patientenverfügung steht das Vertretungsrecht und damit auch das Recht und die Pflicht, medizinische Entscheidungen zu treffen, den nahen Angehörigen zu. Solche Entscheidungen zu treffen, ohne zu wissen, was die betroffene Person sich gewünscht hätte, kann für die Familienangehörigen sehr belastend sein. Patientenverfügungen können deshalb in solch schwierigen Situationen helfen.

Damit Ärztinnen und Ärzte Ihre Wünsche im Notfall umsetzen können, ist zu empfehlen, die Patientenverfügung in Absprache mit Ihrem Hausarzt oder einem anderen behandelnden Arzt zu errichten und zusätzlich auch mit Ihren Angehörigen über Ihre Wünsche zu sprechen.

Über die Autorinnen

Die Autorinnen sind bei der Walder Wyss Rechtsanwälte AG tätig. Für weitere rechtliche Fragen verweisen wir Sie direkt an die juristischen Fachpersonen Frau Glättli (Rechtsanwältin und Notarin), Frau Eggimann (Rechtsanwältin) oder Frau Börlin (Rechtsanwältin).

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