19 August 2024

Warum wir schlafen

Albrecht Vorster © Foto: Kay Blascke

Dr.Albrecht Vorster ist 1985 in Köln geboren, studierte Biologie und Philosophie unter anderem am Center for Sleep and Consciousness der University of Wisconsin und promovierte an der Universität Tübingen. Seit 2022 leitet Vorster das Swiss Sleep House Bern des Inselspitals Bern. 2019 veröffentlichte er beim Heyne Verlag das viel beachtete Buch «Warum wir schlafen». Vorster ist mehrfacher Science-Slam-Gewinner und spielt in der Neurowissenschaftler-Band Hippocamblues.

Albrecht Vorster, es gibt Menschen, die früh aufstehen und sich frühzeitig zu Bett legen – sogenannte Lerchen – und es gibt Menschen, die am Morgen lange schlafen, aber abends endlos wach bleiben – die Eulen. Schicksal oder freier Wille?

A.V.: Das ist Schicksal, das heisst, es ist genetisch vorprogrammiert, der Mensch kann nichts dafür. Es gibt aber auch Menschen in der Mitte, diese sind weder Früh- noch Spättypen.

Wenn Lerchen oder Eulen, etwa aus beruflichen Gründen, gezwungen sind, sich umzupolen, ändern sie dann definitiv ins Gegenteil? 

A.V.: Nein. Eine Lerche wird nicht zur Eule. 

Gibt es von Natur aus schlechte Schläfer?

A.V.: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum Beispiel das Schnarchen mit Atemaussetzern in der Nacht. Und bereits Kinder können daran leiden. Auch die sogenannten «Restless Legs» (die ruhelosen Beine) verhindern das Einschlafen. 10 bis 20 Prozent der über 65-jährigen Menschen leiden unter «Restless Legs» und dadurch an Einschlafstörungen. Die rastlosen Beine werden am Abend, wenn man zur Ruhe kommt, stärker. Auch Albträume verursachen Probleme beim Schlafen. Es betrifft vor allem empathische, emotionale Menschen; Psychopathen haben wahrscheinlich eher selten Albträume. Auch Übergewichtige leiden häufig an Schlafproblemen.

Woran liegt es, dass es Menschen mit und Menschen ohne Jetlag gibt?

A.V.: Je anpassungsfähiger unser Körper ist, desto geringer sind die Jetlag-Probleme. Daher haben wir in der Jugend weniger Probleme damit. Mit zunehmendem Alter kann man weniger gut mit dem Jetlag umgehen.

Ist der Schlaf vor Mitternacht wirklich so wichtig?

A.V. Nein. Während der ersten drei Stunden haben wir den meisten Tiefschlaf, egal ob vor oder nach Mitternacht.

Warum stehen Menschen über 65 meistens sehr früh auf, obwohl sie am Morgen länger schlafen könnten?

A.V.: Mit dem Alter werden wir mehr zu Lerchen – auch das ist genetisch bedingt. Ein Viertel der Menschen über 70 legt sich zwischen 21 und 22 Uhr schlafen.

Woran liegt es, dass auch ältere Menschen in südlichen Ländern viel später zu Bett gehen als jene in nördlichen Gegenden?

A.V. Das ist kulturell bedingt. Wenn man mittags schläft, bleibt man abends länger auf.
Den Mittagsschlaf sollte man auf 15 Minuten beschränken, wenn man nachts Probleme hat einzuschlafen.

Es gibt Menschen, die jede Nacht träumen, andere sozusagen nie. Sind Träume wichtig für die Verarbeitung des Tages?

A.V.: Nein. Menschen träumen jede Nacht, aber die einen erinnern sich besser an ihre Träume, die anderen nicht. Wer tief schläft und seltener aufwacht, hat weniger Traumerinnerungen.

Ist Schlafwandeln eine Krankheit?

A.V.: Ja, aber sie ist nicht immer behandlungsbedürftig. Wenn jemand jedoch mehrmals die Woche schlafwandelt, sollte das behandelt werden. Schlafwandler sind tapsig, sie sind sich ihrer Handlungen nicht bewusst, sie können zum Beispiel den Kühlschrank leeren oder stolpern über auf dem Boden liegende Gegenstände, fallen aus dem Bett und verletzen sich. In solchen Fällen sollte ein Neurologe aufgesucht werden.

Auf was beruht bei Schlaflosigkeit der Ratschlag «Schäfchen zählen». Warum gerade Schäfchen?

A.V.: Das hat keine Bewandtnis. Man sollte sich eher an einen schönen Urlaub erinnern, denn Urlaubserinnerungen machen glücklich und man fühlt sich geborgen. So lässt sich leichter einschlafen

Was bedeutet «des Schlafes Bruder»?

A.V.: Das ist der Tod. Der griechische Gott des Schlafes ist Hypnos; sein Bruder ist Thanatos, der Gott des Todes. Der Schlaf ist der einzige Zustand, bei dem wir das Bewusstsein verlieren. Das macht Angst. Man driftet in eine Welt und weiss nicht, ob man wieder aufwacht. Der Schlaf ist eine Art Vorbereitung auf den Tod. Während des ganzen Lebens erleben wir jede Nacht einen kleinen Tod.

Was ist mit Schlaftabletten?

Auf die Länge sind sie ein «Beschiss». So die Mittel nur vereinzelt alle paar Wochen eingenommen werden, sind die jedoch nicht bedenklich.

Ältere Menschen beklagen sich, mehrmals in der Nacht aufzuwachen und nicht mehr einschlafen zu können.

A.V.: Es ist vollkommen normal, nachts aufzuwachen. Aufwachen ist eine Schutzfunktion des Körpers. Je älter jemand ist, desto länger dauern die Wachperioden zwischen den Schlafphasen. Dies ist jedoch nicht gefährlich, sondern vollkommen normal.

Warum haben Sie das Buch «Warum wir schlafen» geschrieben?

A.V.: Als ich das Buch angefangen habe, wollte ich den Menschen erklären, warum wir schlafen. Also die Hintergründe dieses Phänomens erklären. Im Schlaf passiert so viel Spannendes. Ohne Schlaf fallen wir zusammen. Schon die Griechen befassten sich mit Schlaf. Der Anfang der Schlafforschung beginnt bei uns in den 50er-Jahren. 30 Prozent der Bevölkerung leiden an Schlafproblemen. Diese Menschen wissen oft nicht, wohin sie sich wenden müssen, um Hilfe zu bekommen. Es gab bisher wenig Hilfe für Schlaflose.

Vor einigen Monaten haben Sie das Swiss Sleep House Bern gegründet, dessen Leiter Sie heute sind. Was bieten Sie Menschen mit Schlafproblemen an?

A.V.: Bei uns kann man nicht schlafen, aber lernen, besser zu schlafen! Die Menschen, die zu uns kommen, erhalten konkrete Hilfe, um wieder zu einem guten Schlaf zu finden, und zwar ohne Schlafpillen, die sie aus Angst vor Abhängigkeit fürchten. Wir helfen auch bei Albträumen, Schlafwandeln oder Problemen beim Tragen von Atemmasken zur Behandlung des Schnarchens.

Das Buch von Albrecht Vorster, Warum wir schlafen – Faszinierende Erkenntnisse über den unbekannten Teil unseres Lebens erschienen 2019 im Heyne Verlag, erhalten Sie in der Buchhandlung Ihres Vertrauens.

Hier erfahren Sie mehr über das Swiss Sleep House in Bern. Bildquelle: Kay Blascke

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Bewertungen der Community

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Flavia Nicolai
5
1 Stimme 5/5

Spannend und lehrreich, kurze Sätze und einfach zu lesen, mir gefällt der Beitrag. Merci.

Liebe Frau Nicolai, vielen Dank, dass Sie Ihre Meinung mit uns geteilt haben! So helfen Sie auch anderen in der Quartier+-Community bei der Auswahl von interessanten Beiträgen.
Herzliche Grüsse, Joanna Lisa, Team Q+

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Erica Lugon
5
1 Stimme 5/5

J'ai toujours pensé que le fait d'être couche-tôt ou couche-tard était une question de volonté, je ne savais pas du tout que c'était génétique.

Chère Madame Lugon, merci beaucoup pour votre commentaire. Eh oui, les lève-tôt - respectivement les lève-tard - ne le sont en fait pas par choix! Et l'avenir appartient aussi à ceux qui se lèvent tard 😉
Cordialement, Joanna de la Team Quartier+

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