Mélissa Kunz ist Ernährungsberaterin und Gründerin des Unternehmens Tobee Nutrition. Sie berät Kundinnen und Kunden jeden Alters, die gesunde Ernährungsgewohnheiten erlernen oder abnehmen möchten. In ihrem Programm “Hypnose & Nutrition", das Hypnotherapie und Ernährungsberatung kombiniert, verbindet sie mentales Wohlbefinden und ausgewogene Ernährung.
Frau Kunz, mit welchen Fragen wenden sich Menschen an Sie?
Die meisten möchten abnehmen und lernen, sich gesund zu ernähren. Viele denken, sie würden zu viel essen, aber oft ist genau das Gegenteil der Fall. Die Überraschung ist gross, wenn ich erkläre, dass ihr täglicher Kalorienbedarf nicht ausreichend gedeckt ist. Ich zeige ihnen, wie sie mit der richtigen Ernährung ihren Stoffwechsel ankurbeln und dabei Gewicht verlieren können - obwohl sie mehr essen dürfen als vorher.
Was hilft, wenn man seine Ernährung umstellen will?
Es mag banal klingen, aber die Zusammensetzung einer Mahlzeit spielt eine entscheidende Rolle. Meine Empfehlung: ein Viertel Protein, ein Viertel Kohlenhydrate und zwei Viertel frisches Gemüse. Der Schlüssel zu einer guten Gesundheit lautet mehr Abwechslung in der Ernährung. Nutzen Sie unterschiedliche Quellen für die verschiedenen Ernährungsbausteine: Statt meist Kartoffeln oder Pasta zu kochen, sollten Sie auch regelmässig zu Reis, Linsen, Kichererbsen und Quinoa greifen. Wechseln Sie bei den Proteinlieferanten ab zwischen Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten. Dazu essen Sie saisonales Gemüse, um alle wichtigen Nährstoffe abzudecken und Mangelerscheinungen zu vermeiden.
Vegetarier und Veganer müssen besonders auf eine ausreichende Zufuhr von Proteinen achten. Ich empfehle Ihnen daher, ausreichend Getreide, Hülsenfrüchte und Ölsaaten wie Kürbis, Leinsamen, Raps, Senf, Sesam, Soja und Sonnenblumen zu essen. Frauen nach den Wechseljahren, die anfälliger für Osteoporose sind, brauchen ausreichend Kalzium. Gute Quellen dafür sind Milchprodukte, aber auch grünes Gemüse wie Blattspinat und Brokkoli . Und zu guter Letzt: Bevorzugen Sie frische und regionale Produkte!
Worauf sollte man bei der Ernährung am meisten achten?
Es ist wichtig, genau hinzuschauen, was wir essen und beim Einkaufen die Liste der Inhaltsstoffe genau anschauen. Vermeiden Sie Produkte, die Konservierungsstoffe oder Zucker enthalten. Viele Gebrechen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen sind die Folge einer falschen Ernährung mit industriell hergestellten Produkten.
Anlässlich des “Veganurary” (Aktion für vegane Ernährung im Januar) habe ich einige Produkte unter die Lupe genommen, für die die grossen Schweizer Lebensmittelhändler warben. Das Ergebnis war erschreckend: Obwohl sie als gesund angepriesen wurden, enthielten diese Gerichte eine überraschend lange Liste von Zutaten - 17 bis 30 an der Zahl. Enthalten waren zu viel Salz, versteckter Zucker, Zusatzstoffe und Konservierungsmittel aller Art. Wer regelmässig dermassen stark verarbeitete Produkte isst, musst mit hormonellen Unausgewogenheiten und Darmdysbiosen wie einem Reizdarmsyndrom rechnen.
Wenn Zucker ungesund ist, gilt das dann auch für natürlichen Zucker in Früchten?
Grundsätzlich ist Zucker nicht gesundheitsschädlich. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es jedoch wichtig, dass wir höchstens fünf Prozent unseres täglichen Kalorienbedarfs als Zucker zu uns nehmen. Aber es gibt einen Unterschied zwischen Fructose (also Fruchtzucker) und raffiniertem Zucker: Fruktose hat einen niedrigeren glykämischen Index und verursacht weniger starke Schwankungen des Blutzuckers als raffinierter Zucker. Daher ist die Frucht gesünder als Fruchtjoghurt und die Orange besser als Orangensaft.
Verschiedene süsse Lebensmittel wirken daher auch auf unterschiedliche Art in unserem Körper. Der raffinierte Zucker in einem süssen Jogurt führt dazu, dass die Bauchspeicheldrüse Insulin ausschüttet - das Hormon, das den Zuckergehalt im Körper reguliert - was sich angenehm wohlig anfühlt. Sobald das Hormon wieder abgebaut ist, kann es zu starker Müdigkeit kommen. Eine Frucht hingegen löst eine geringere Insulinproduktion aus, daher bleibt der Blutzuckerspiegel stabil. Sie fühlen sich länger satt und das Energieniveau bleibt konstant. Ein weiterer Vorteil von Früchten im Unterschied zum Fruchtsaft: Die darin enthaltenen Ballaststoffe signalisieren dem Gehirn, dass wir satt sind. Machen Sie den Selbsttest: Den Saft von fünf Orangen können Sie problemlos trinken. Aber würden Sie auch fünf Orangen essen?
Ein wissenschaftliches Fachgebiet namens Chrononutrition erforscht übrigens, wie die Ernährung und die körpereigene Uhr zusammenpassen. Laut ihr ist die Bauchspeicheldrüse zwischen 16 und 17 Uhr am aktivsten. Zu dieser Zeit wird mehr Insulin ausgeschüttet: Die beste Tageszeit also für eine süsse Zwischenmahlzeit!
Gibt es gute und schlechte Fette?
Zu einer gesunden Ernährung gehören auch Fette, sogenannte Lipide. Und es gibt tatsächlich Unterschiede zwischen guten und schlechten Lipiden. Gute Lipide sind hauptsächlich flüssigen Fette wie Öle. Sie tragen unter anderem dazu bei, dass unsere Arterien geschmeidig bleiben. Im Gegensatz dazu bestehen die schlechten, gesättigten Lipide hauptsächlich aus festen Fetten wie Butter. Sie können die Arterien verstopfen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen. Omega-3-Fettsäuren, die reich an Proteinen sind und vor allem in fettem Fisch wie Lachs, Thunfisch, Sardinen, Sardellen oder Makrelen enthalten sind, können Entzündungen hemmen und das Gehirn schützen. Es ist beispielsweise bekannt, dass gute Fette das Alzheimer-Risiko senken und zum geistigen Wohlbefinden beitragen können.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ernährung und unserem geistigen Wohlbefinden?
Die Antwort lautet eindeutig Ja! Ich erlebe auch, dass die Menschen weniger leicht abnehmen, die eine komplizierte Beziehung zum Essen haben. Essen als Trost, Belohnung, bei Heisshunger oder Stress kann zu ungesunden Essgewohnheiten führen - und diese wirken sich schlussendlich negativ auf die Stimmung und das geistige Wohlbefinden aus.
Erst gesunde Ernährung in Kombination mit Emotionsarbeit und Selbstreflexion kann die problematische Beziehung zum Essen entschärfen und das seelische Wohlbefinden stärken. Letztendlich geht es darum, sich körperlich und geistig wohl zu fühlen, Energie und Selbstvertrauen zurückzugewinnen und möglichst lange in Topform zu bleiben.
Und welche Rolle spielt die Darmgesundheit?
Die Darmflora eines Menschen ist so einzigartig wie ihre DNA. Gute Bakterien wie Bifidobakterien tragen zur Aufrechterhaltung des Immunsystems bei, während andere wie E.coli schädlich für unsere Darmflora sind. Wenn ein bakterielles Ungleichgewicht besteht und die schlechten Bakterien die guten verdrängen, spricht man von einer Dysbiose. Um die Darmflora gesund zu erhalten, empfehle ich eine Kombination aus Präbiotika (Ballaststoffe, die vor allem in grünem Gemüse vorkommen) und Probiotika (die unter anderem in Gewürzgurken, Parmesan, Hüttenkäse und Kombucha enthalten sind).
Wenn Sie nach den Mahlzeiten keine Blähungen haben, Ihre Verdauung normal verläuft und Ihre Stimmung gut ist, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Sollten Sie jedoch häufig unter Blähungen leiden, nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel Bauchschmerzen bekommen oder ohne ersichtlichen Grund deprimiert sein, lohnt sich der Besuch bei der Hausärztin. Falls Sie an Nahrungsmittelunverträglichkeiten leiden, werden Sie dort entsprechend beraten.
Fotokredit: ©Adrien Perritaz