Mit ihren kostenlosen Gesprächsangebot bei medizinischen Entscheiden füllt die Akademie Menschenmedizin (amm) eine wichtige Lücke. In den Arztpraxen fehlt heute manchmal die Zeit für ein ausführliches Gespräch. Genau dies ist das Angebot der pensionierten Ärztinnen und Ärzte des amm Café Med: den Ratsuchenden ohne Zeitdruck zuzuhören und sie im Gespräch zu unterstützen, so dass sie die für sie richtige Entscheidung treffen können. Diese Arbeit wirkt aber noch auf eine andere Weise: Das Engagement "amm Café Med" ist gleicherweise für die pensionierten Ärztinnen und Ärzte eine bereichernde ehrenamtliche Tätigkeit.
Der Hausärztin Helen Hartmann sieht man ihre 73 Jahre in keiner Weise an. Ihre Augen blitzen, wenn sie von ihren verschiedenen Tätigkeiten und Engagements erzählt. «Ich bin immer noch in den wilden Jahren», sagt sie lachend, «und ich bin zufrieden in meinen Unruhestand». Sie war ihr Leben lang Hausärztin, sie liebt ihren Beruf auch heute noch. Die Praxisübergabe hat Helen Hartmann sorgfältig geplant und noch während mehr als einem Jahr war sie als Angestellte Teil des Teams der neuen Ärztin. «Was kommt jetzt?», fragte sie sich nach der Aufgabe ihrer Praxistätigkeit. «Ich bin fit, ich bringe eine grosse Erfahrung mit und ich will auch noch etwas von der Welt sehen und mich engagieren». So entschied sich Helen Hartmann 2017 für einen medizinischen Einsatz für eine kleine NGO. Sie freute sich auf die Herausforderung und arbeitete, wie es ihrer Art entspricht, vom ersten Tag an mit Leib und Seele. Helen kam im Flüchtlingslager Moira auf Lesbos an ihre körperlichen und psychischen Grenzen. Die Not in diesem riesigen Flüchtlingslager mit tausenden geflüchteten Menschen war horrend, es fehlte an allem. Helen hat bis über ihre Grenzen gearbeitet und kam schliesslich nach drei Monaten erschöpft und mit traumatischen Erinnerungen zurück in die Schweiz. Diese schmerzhafte Erfahrung hat sie geprägt und sie hat Zeit und Unterstützung gebraucht, um das Erlebte einordnen zu können und wieder Kraft zu sammeln, um ihr Leben nach der Pensionierung neu zu ordnen und zu geniessen zu können. Dennoch möchte sie diese Erfahrung nicht missen.
Wissen weitergeben und Erfahrung einbringen
«Vielleicht sind es einfach wir Hausärztinnen und -ärzte, die ein Leben lang beraten, begleiten und unterstützen wollen», sinniert Helen im Gespräch. «Ich will immer noch etwas tun, ich will mich mit Leuten treffen, ich will am gesellschaftlichen Leben teilhaben und auch etwas bewirken.» Dabei ist sie sich ihrer Grenzen heute sehr wohl bewusst. So hat sie seit der Übergabe ihrer Praxis keine Praxisvertretung mehr gemacht, weil ihr der Stress zu gross wäre. Das Engagement als erfahrene Ärztin aber für das amm Café Med ist für sie eine Bereicherung und eine Aufgabe, die sie mit viel Leidenschaft und erfrischender Herzlichkeit macht. «Ich verfüge jetzt nämlich über etwas, was den Hausärztinnen und -Ärzten von heute vielfach fehlt in ihrem dichten Praxisalltag: Zeit. Zeit, den Leuten ausgiebig zuzuhören, nachzufragen und ihre Fragen in Ruhe zu beantworten».
Gestärkter Selbstwert
Was brauche ich, damit ich nach der Pensionierung nicht in ein Loch falle und mich nicht nutzlosfühle? Die Frage, welche Tätigkeiten guttun und das Selbstwertgefühl stärken, muss jede Person für sich selbst beantworten. Helen Harmann weiss von sich, dass sie eine Macherin ist. Sie engagiert sich gerne auch für politische Fragen, liebt den sozialen Austausch und auch jetzt muss sie gleich los zum nächsten Treffen. «Ich brauche dies im Moment einfach und es gefällt mir, eingebunden zu sein und mich mit den unterschiedlichsten Menschen zu treffen.» Helens Energie ist ansteckend und macht deutlich, dass die Kunst zum Glücklichsein einmal mehr darin liegt, sich selbst gut zu kennen, die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und den Mut zu haben, die Ideen umzusetzen.
Wir danken Helen Hartmann für dieses inspirierende Gespräch.
«Ich würde gerne, aber …»
3 einfache Tipps die Ihnen helfen können, ein Engagement zu finden
- Tauschen Sie sich mit Freundinnen, Bekannten, Ihren Kindern ganz konkret zu dieser Frage aus. Was tun andere in der gleichen Situation? Welche Ideen hat Ihr Umfeld?
- Machen Sie einen Ideenkorb mit all den Dingen, die sie schon immer tun wollten. Papier ist geduldig und keine Idee ist zu gross oder zu wild.
- Aktivieren Sie Ihre privaten und beruflichen Netzwerke und bieten Sie Ihre Mitarbeit an. Fragen kostet nichts!
Das Amm Café Med: Pensionierte Ärztinnen und Ärzte unterstützen Sie bei medizinischer Entscheidungsfindung. Persönlich. Kostenlos. Unabhängig.
Stehen Sie vor einer medizinischen Entscheidung? Möchten Sie eine Diagnose nochmals in Ruhe besprechen? Fachpersonen beantworten unentgeltlich Ihre Fragen, beurteilen Behandlungsoptionen und helfen Ihnen, die für Sie richtige Entscheidung zu treffen.
Wir sind pensionierte Hausärztinnen und Hausärzte, Spezialistinnen und Spezialisten und engagieren uns ehrenamtlich im amm Café Med.
Wir besprechen Fragen zu Nutzen und Schaden einer Behandlung (z.B. anstehende Operationen, Weiterführen einer Langzeittherapie, Medikamente, etc.), zu diagnostischen Abklärungen (z.B. Magendarmspiegelung, Gelenkspiegelung, Knochendichtemessung, etc.), aber auch zum Umgang mit Kranksein sowie mit Grenzen des Möglichen, des Machbaren und des Sinnvollen. Manchmal geht es auch darum, vorhandene Dokumente verständlich zu erklären. Ohne Zeitdruck hören wir zu, fragen nach und geben praktische Tipps. Unser Ziel ist es, bei Unsicherheiten die Ratsuchenden so zu unterstützen, dass sie selbst die für sie passenden Entscheidungen treffen können. In der Regel findet das Gespräch einmalig statt.
Das amm Café Med ist ein unentgeltliches Angebot der Akademie Menschenmedizin für Patientinnen und Patienten, deren Angehörige und Fachpersonen aus dem Gesundheitswesen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Das amm Café Med gibt es in Basel, Bern, Chur, Luzern, St. Gallen, Winterthur, Zürich, im Tessin und im Südtirol.
https://www.menschenmedizin.ch/aktivitaeten/amm-cafe-med/
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