Die Sorge, ihn am Bahnhof Biel nicht auf Anhieb zu erkennen, erweist sich als unbegründet. «Hausi» Hans Leutenegger ist mit 83 Jahren noch einer, der aus der Menge heraussticht. Nicht nur wegen seiner Grösse, sondern wegen seiner Ausstrahlung. Er strahlt Sympathie und Fröhlichkeit aus und tritt mit der Sicherheit eines Menschen auf, der überall auf der Welt zu Hause ist.
Wir treffen uns in einem gemütlichen Lokal in Biel. Auch hier bleibt er nicht lange unerkannt und stellt sich bereitwillig für Selfies zur Verfügung. «Einmal Olympiasieger, immer Olympiasieger», ruft er lachend einem Gast zu, der ihn fragt, ob er nicht auch einmal Bobfahrer gewesen sei. 1972 gewann Hausi Leutenegger mit Jean Wicki im Viererbob in Sapporo Olympia-Gold. 50 Jahre ist das her, hier in Biel scheint es für einen kurzen Moment, als wäre es gestern gewesen.
Wir fragen Hausi, wie er es schafft, mit 83 Jahren noch so fit zu sein. Das sei ganz einfach, erklärt er und winkt dabei einem anderen Gast zu, der ihn erkannt hat. «Man muss sich viel bewegen.» Bewegung und am Alltag teilnehmen, merken wir uns. Und er hat noch mehr Gesundheitstipps für uns: «Wenn du aufwachst, musst du im Bett die Beine rechtwinklig anheben. Das musst du immer als erstes machen.» Jeden Morgen geht der ehemalige Spitzensportler und ehemaliger Manager schwimmen und macht seine 40 Liegestütze. Und dann kommt er, Hausi Leuteneggers spezieller Tipp: «Schau jeden Tag in den Spiegel, lächle dich an und sage laut: Mir geht es gut, ich finde mich schön und bin dankbar für mein Leben.'"
Was steckt hinter Hausi Leuteneggers Vitalität?
Meine positive Einstellung zum Leben. Meine Offenheit und Freude am Leben. Ich bin gerne in Bewegung und treibe Sport, spiele gern Golf und fahre so oft es geht Velo. Ich lache gerne und verschenke gerne ein Lächeln und begegne meinen Mitmenschen stets mit Achtung und Respekt. Ich bin mit mir zufrieden und mag Menschen.
Welcher Lebensmotor treibt dich an?
Ich war eines von 8 Kindern, wir sind auf einem Bauernhof aufgewachsen. Trotz der bescheidenen Verhältnisse hatten wir viel. Schon als kleiner Junge wusste ich, das kann nicht mein Leben sein, hier auf dem Bauernhof. Ich wollte weiter weg, ich wollte bekannt werden. Und Wohlstand erreichen, das war mein Antrieb. Dafür habe ich alles getan, ich habe viel gearbeitet, mich engagiert, geschuftet und immer dieses eine Ziel verfolgt.
Viele wollen reich werden, aber nur wenige schaffen es. Da muss noch mehr gewesen sein?
Ich war immer anders als die anderen, anders als meine Geschwister, anders als die Kinder im Dorf. Als Kind war ich ein schüchterner, verklemmter Junge. Aber meine Mutter hat immer an mich geglaubt, sie hat mich sehr geliebt und ich habe diese warme Mutterliebe gespürt. Sie hat mich so angenommen und respektiert, wie ich eben war.
Wie wichtig war der Sport in deiner Kindheit?
Ich war im Turnverein Balterswil. Das Turnen hat meinen sportlichen Ehrgeiz geweckt. Ich habe mein Training intensiviert und mich sehr angestrengt. Ich wurde schneller und stärker und nahm an jedem Wettkampf teil. Mit 17 Jahren gewann ich meine ersten Kränze im Nationalturnen. Sicherlich haben mir im Sport auch meine körperlichen Voraussetzungen geholfen, ich war groß und athletisch.
Du bist gern in der Natur. Was gibt sie Dir zurück?
Während meine Familie zu Hause am Küchentisch jasste, war ich im Wald unterwegs. Auch heute noch gehe ich gerne allein in den Wald. Die Natur gibt mir Ruhe und Frieden. Ich fühle mich wohl, beobachte gerne die Vögel. Mein Lieblingsvogel ist die Krähe, sie ist klug, frech, groß und stark. Als Kind hatte ich einen zahmen Raben, den «Köbeli». Fünf Jahre lang war Köbeli mit mir unterwegs, hat auf mich gewartet und ist immer wieder zurückgekommen".
Wie stehst du zum Alter und zum Älterwerden?
Ich habe auch eine ruhige und nachdenkliche Seite. Ich bin ein gläubiger Mensch, der jeden Sonntag in die Kirche geht und mit Gott spricht. Schau, ab 80 ist jedes Jahr ein Geschenk. Ich könnte heute gehen. Alles war gut, so wie es war. Ich hatte ein wunderbares Leben, für das ich sehr dankbar bin. Aber es gab sicher nicht nur Höhepunkte in meinem Leben. Es gab auch schwierige Jahre mit vielen Schicksalsschlägen. 2006 war so ein Jahr, in dem ich einige wichtige Wegbegleiter und meine Frau verloren habe. Es war ein schwieriges Jahr mit viel Abschied und Trauer. Ich habe Freunde und mein Sohn war mir eine Stütze.
Ich selbst habe in jungen Jahren schwere Unfälle überlebt und weiß um die Zerbrechlichkeit des Lebens. Immer wenn ich in meinem Leben vom Erfolg übermannt wurde, hat mir Gott durch einen Schicksalsschlag gezeigt, dass ich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehren muss. Das hat mir geholfen, nicht abzuheben. Und so habe ich dann auch immer anderen geholfen.
Vorwärts und immer das Gute suchen
Ein starker Wille und Lebensfreude sind bei Hausi auch heute noch zu spüren. Die operative Leitung seiner Firma Hans Leutenegger AG hat er mit 50 Jahren abgegeben, aber er interessiert sich nach wie vor für die Mitarbeitenden und wie das Geschäft läuft. Urs Vögeli führt heute die Firma als CEO mit sehr viel Können, Talent und Geschick und das verdankt Hausi seinem Freund sehr - «er ist ein wunderbarer Mensch» und ein langjähriger Freund, wie Hausi im Gespräch betont. Die Firma und die Mitarbeitenden liegen ihm am Herzen, die Verantwortung nimmt er auch heute noch ernst. Als gelernter Bauschlosser hat er die Firma aufgebaut und zu einem erfolgreichen Unternehmen gemacht.
Ein freundliches Lachen
Nie jammern, sagt Hausi immer wieder eindringlich. Nie aufgeben, immer das Gute suchen und an sich glauben. Zufriedenheit, das ist sein Lebenselixier im Alter. Er strahlt diese Zufriedenheit aus und steckt seine Mitmenschen damit an. An dem Wintertag in Biel schafft er es, den Leuten in der Einkaufsstrasse ein Lächeln zu entlocken, er wird erkannt und geniesst diese Momente. Ein Wort hier, ein Kompliment dort. Manchmal muss er auch etwas nachhelfen, wenn ihn die Leute unsicher anschauen und sagen, das sei doch der Hausi, der Olympiasieger. Auf dem Perron Richtung Genf wird Hausi von einem jungen Mann interessiert beäugt. «Alles klar?» ruft er über die Gleise. «J’aime votre style!» ruft er lachend vom gegenüberliegenden Perron zurück. Er lacht mit und steigt mit seinen weissen Turnschuhen in den Zug nach Rolle.
Wir danken Hausi Leutenegger, dass er sich die Zeit genommen hat, mit Quartierplus in Biel über sein Leben zu sprechen und wünschen ihm von Herzen alles Gute und beste Gesundheit für die Zukunft.
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