25 Juli 2024

Über das Alter

Bild von Ludwig Hasler

Dr. Ludwig Hasler (1945), studierte Physik und Philosophie, führt seither ein journalistisch-akademisches Doppelleben. Als Philosoph lehrte er an den Universitäten Bern und Zürich. Seit 2001 ist er freier Publizist, Vortragstourist, Hochschuldozent, Kolumnist. 2019 erscheint sein philosophischer Bestseller «Für ein Alter, das noch was vorhat. Plädoyer fürs Mitwirken an der Zukunft». 2022 das Buch «Jung & Alt», Briefwechsel mit einer exakt 50 Jahre jüngeren Frau (beide im Verlag Rüffer & Rub). Er lebt in Zollikon am Zürichsee.

Das Alter hat in unseren Kulturkreisen keinen allzu guten Ruf bzw. wird mit Verlust, Abbauprozessen, körperlichen Gebresten gleichgesetzt und oft gefürchtet. Zu Recht?

Ludwig Hasler: Es ist – stets auch – eine Verlustgeschichte. Gleichzeitig sind wir über dem Berg, müssen nicht weiter kraxeln, wir haben unser Leben im Trocknen. Die Kunst ist dann: uns an dem zu freuen, was gelungen ist; und nicht denselben Bedürfnissen nachzulaufen wie als 46-Jährige.

Inwiefern hilft uns die Philosophie, in diesem Lebensabschnitt Erfüllung und Gelassenheit zu erlangen?

LH: Weil Philosophie uns erinnert: Ohne Tod wäre das Leben tödlich. Nur im Bewusstsein meiner Endlichkeit kann ich den Augenblick glänzen lassen. Also Endlichkeitstraining. Was will ich: Möglichst viele Tage in meinem Leben – oder möglichst viel Leben in meinen Tagen?

Was sind Ihres Erachtens die positiven Seiten im Leben der «silver age Generation»?

Ludwig Hasler: Freiheit. Dieses einzigartig freie Leben in den Jahren nach der Pensionierung. Die meisten sind frei von Erwerbszwang samt gröberen Existenzängsten. Die Tage gehören uns. Fragt sich nur: Was fangen wir an mit ihnen?

Was ist die grösste Veränderung für einen Menschen, wenn immer klarer wird, dass die Endlichkeit des Lebens näher rückt?

Ludwig Hasler: Das Erschrecken, keine Zukunft mehr zu haben. Bis dahin leben wir mehr im Morgen als im Heute. Jetzt, wo die Zukunft schrumpft, gewinne ich die den Vorteil, mich intensiver an den Augenblick zu verschwenden.

Was können wir tun, um den Fokus mehr auf das Gute als auf das zu richten, was nicht mehr klappt?

Ludwig Hasler: Teilnehmen am Leben anderer. Die «positivsten» Alten, die ich kenne, beschäftigen sich nicht nur mit sich, Sie betreiben eine Quartierbeiz, pflegen den Garten einer kranken Frau, helfen Schülern in Deutsch, in Mathe. Sie werden «gebraucht», fühlen sich nie überflüssig. Sind nie allein.

Sie wirken mit 79 Jahren putzmunter und tingeln als gefragter Redner durchs ganze Land. Was ist das Geheimnis dieser Vitalität?

Ludwig Hasler: Wirkt es so? Dann liegt es wohl daran, dass ich mich nie geschont habe. Ich verausgabte mich – erst an Sport, Musik, dann Denken, Schreiben, Reden, Arbeit, Arbeit, Arbeit – stets unzimperlich, und siehe da, meine Batterien füllen sich. Wie ein Dynamo. Meist, nicht immer.

Sind sie glücklich und wieso oder wieso nicht?

Ludwig Hasler: Mir genügt, normalerweise guter Laune zu sein. Ich bin im Reinen mit meinem Leben. Es übertrifft meine Erwartungen. Ich konnte vieles herausholen, was in mir steckte. Frei nach Schopenhauer: «Es gibt kein Glück – ausser im Gebrauch meiner Kräfte.»

Wir müssen das Alter neu denken, ist ein Satz, den Sie nicht müde werden zu wiederholen. Was meinen Sie damit?

Ludwig Hasler: Nun, meine Eltern waren mit 65 richtig alt, körperlich erschöpft. Da sehen die meisten von uns ganz anders aus. Also kann ich mich um ein bisschen mehr kümmern als um mich (mit Reisen, Geniessen, Fitten). Nicht aus Moral. Sondern weil ich mich am besten um mich kümmere, wo ich mich auch um allerlei um mich herum kümmere.

Welche gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen bringt der demografische Wandel mit sich?

Ludwig Hasler: Mehr Alte, weniger Junge. Versicherungsmathematisch delikat. Gesellschaftlich auch. Gefragt ist Solidarität, und zwar umgekehrt: von Alten zu Jungen. Will ich mich mit 65 in die Passivmitgliedschaft abmelden, dann 25 Jahre als Endverbraucher meiner Lebenschance privatisieren? Eher Akteur bleiben, oder nicht? Dazu bräuchte es den Dialog mit den Jungen.

Wie gelingt es, die verschiedenen Generationen miteinander in Dialog zu bringen und gegenseitiges Verständnis zu fördern?

Ludwig Hasler: Kraft Interesse. Jung und Alt müssen sich nicht partout verständigen, schon gar nicht gegenseitig für alles Verständnis haben. Es genügt, dass wir uns lebhaft interessieren – gerade fürs Anderssein der Andern.

Was würden Sie einem Jugendlichen raten, für einen guten Dialog und Umgang mit älteren Menschen?

Ludwig Hasler: Ich bin ja seit drei Jahren öffentlich im Briefwechsel mit einer exakt 50 Jahre jüngeren Frau. Der gelingt stets am besten, wenn die junge Frau mir aus ihrem Leben erzählt. Erstens interessiert mich das, zweitens hab ich dann das Gefühl, sie traut mir, nimmt mich für voll. Einsamkeit ist für viele ältere Menschen ein Thema.

Was können Betroffene tun, um die Isolation zu durchbrechen und wieder mehr Wohlfühlmomente ins Leben zu bringen?

Ludwig Hasler: Ich kann mich verlieren – an Dinge, die nicht so klapprig sind wie ich, die vital und bedeutend bleiben, auch wenn ich ende. Konkret: an den Flug der Mauersegler, an den Zauber der Musik, an die Grossartigkeit der Sterne.

Über den Autor

Dr. Ludwig Hasler, Philosoph & Physiker, Publizist studierte Physik und Philosophie, führt seither ein journalistisch-akademisches Doppelleben. Als Philosoph lehrte er an den Universitäten Bern und Zürich. Als Journalist war er Mitglied der Chefredaktion erst beim „St.Galler Tagblatt“, danach bei der Zürcher „Weltwoche“. Seit 2001 freier Publizist, Vortragstourist, Hochschuldozent, Kolumnist. Nebenher wirkt er praktisch mit, etwa im Publizistischen Ausschuss des CH-Media-Konzerns und in der Gruppe „Digitalisierung“ des Schweizer Wirtschafts-Dachverbandes Economie Suisse. 2019 erscheint sein philosophischer Bestseller «Für ein Alter, das noch was vorhat. Plädoyer fürs Mitwirken an der Zukunft». 2022 das Buch «Jung & Alt», Briefwechsel mit einer exakt 50 Jahre jüngeren Frau (beide im Verlag Rüffer & Rub).  Er lebt in Zollikon am Zürichsee.

www.ludwighasler.ch

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