Wer an klinischen Krebsstudien teilnimmt, kann nicht nur einen direkten Nutzen für den eigenen Krankheitsverlauf erzielen, sondern trägt auch zur nachhaltigen Verbesserung der Krebstherapien bei. Der Patientenrat der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) motiviert und ermutigt deshalb Betroffene, an klinischen Krebsstudien teilzunehmen.
Frau Ganz-Blättler, Sie sind Mitglied im Patientenrat der SAKK. Welche Ziele verfolgt dieser?
Ursula Ganz-Blättler: Eines unserer obersten Ziele ist es, die Anliegen und Bedürfnisse der Patienten sichtbar zu machen und damit auch die Kommunikation zwischen Forschenden, Ärzteschaft und Patienten zu verbessern. Hier sehen wir uns als eine Art Bindeglied. Alle Mitglieder des Patientenrates sind Krebsbetroffene oder enge Angehörige von Krebsbetroffenen und kennen deshalb die Sorgen, Nöte und Anliegen der Patienten aus eigener Erfahrung. Denn nur wenn wir die Patientenbedürfnisse kennen, können auch die Prioritäten bei Forschungsvorhaben patientenorientierter angelegt werden.
Sie sind vor 13 Jahren an Brustkrebs erkrankt. Wo hätten Sie sich damals mehr Hilfe gewünscht?
Ich bin aus völliger Gesundheit heraus plötzlich in ein medizinisches System geraten und habe mich voller Vertrauen in die Hände der Ärzte begeben. Nach Abschluss aller Behandlungen haben sich bei mir massive «Nachwehen» gezeigt, die ich jedoch nicht mit meiner Krebserkrankung in Verbindung gebracht habe. Nach einer langen Leidenszeit hat sich dann herausgestellt, dass ich ein krebstherapiebedingtes Müdigkeitssyndrom (CRF) habe. Ich hätte mir damals eine bessere Aufklärung über mögliche Neben- und Nachwirkungen gewünscht und habe mich allein gelassen gefühlt. Daraus ist der Wunsch entstanden, mich im Patientenrat zu engagieren.
Im Patientenrat der SAKK geht es auch darum, Betroffene hinsichtlich der Teilnahme an klinischen Studien zu motivieren. Welchen Nutzen haben diese für die Betroffenen?
Insbesondere für jene Patienten sind klinische Studien wichtig, deren Krankheit nicht genügend auf bisher bekannte Therapien anspricht oder für die keine Behandlung bekannt ist.
Klinische Studien verfolgen das vordergründige Ziel, bestehende Krebsbehandlungen weiterzuentwickeln und zu verbessern, sowie neue Therapien auf ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit zu überprüfen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse haben einen direkten Einfluss auf den Behandlungsalltag und kommen vor allem auch zukünftigen Patienten zugute.
Das Vorurteil «Klinische Studie = Versuchskaninchen» hält sich hartnäckig. Wie sicher sind die Studien?
Erst wenn die Grundlagenforschung und die präklinischen Studien erfolgreich abgeschlossen sind, dürfen klinische Studien begonnen werden. Die Wirkstoffe sind somit schon gut untersucht und für die Patienten sehr sicher. Zudem wird jede klinische Studie von einer Ethik-Kommission sowie von den Behörden begutachte, wobei das Patientenwohl immer im Fokus steht. Zugleich werden die Patienten während der Behandlung intensiv betreut, es gibt erhöhte Sicherheitsmassnahmen und sie können die Therapie jederzeit abbrechen. Sinn und Zweck der Studie sind primär die nachhaltige Verbesserung der Krebsbehandlung. Jeder Patient, der heute im Rahmen einer Standardbehandlung therapiert wird, hat letztlich davon profitiert, dass andere Patienten an einer Studie teilgenommen haben, die zur Zulassung eines bestimmten Medikaments oder einer neuen Behandlungsmethode geführt hat.
Sie haben eingangs erwähnt, dass sich der Patientenrat der SAKK als Bindeglied zwischen Ärzteschaft, Forschenden und Patienten sieht.
Uns ist es ein Anliegen, die Patienten im ganzen Prozess der klinischen Studien zu begleiten und sie mit ihren Fragen und Unsicherheiten ernst zu nehmen. Wir helfen bei der Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten, so dass für diese alles verständlich ist und ihre Anliegen berücksichtig werden. Der Trend geht sogar in die Richtung, dass nichts entschieden wird, ohne dass Betroffene mit ihren spezifischen Kompetenzen im Prozess dabei sind und ihre Sicht einbringen. Schliesslich geht es immer darum, den bestmöglichen Nutzen für die Krebspatienten zu erzielen.
Was sind klinische Studien?
Klinische Studien sind Forschungsstudien mit freiwilligen Teilnehmern, bei welchen bestehende Krebsbehandlungen weiterentwickelt und verbessert und neue Therapien auf ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit geprüft werden. Als akademisches, dezentrales Forschungsinstitut führt die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) seit mehr als 50 Jahren Studien an allen grösseren Spitälern in der Schweiz und im Ausland durch.