Grosseltern sind ohne Handys & digitale Medien aufgewachsen, ihre Enkelkinder wurden in eine Welt geboren, in der online-Tool nicht mehr wegzudenken sind. Heute haben alt und jung Zugriff auf digitale Medien, nutzen sie aber unterschiedlich. Was bedeutet das für ihre Beziehung und wie sieht ein gutes Miteinander zwischen den Generationen aus? Medienpädagoge Beat Richert, der Eltern und Behörden zu Fragen rund um digitale Medien berät, gibt Quartierplus Auskunft.
Was fördert ein gutes Miteinander und Verständnis im Umgang mit digitalen Medien?
Intergenerationelle Gespräche über digitale Medien sind sehr wertvoll, da es immer ein gegenseitiges Lernen ist. Wichtig dabei ist eine grösstmögliche Unvoreingenommenheit von beiden Seiten. Einerseits geht es nicht darum, die Games zu verteufeln, sondern interessiert zuzuhören und dann zu fragen, was das Enkelkind so faszinierend findet, warum es nicht aufhören kann und wie es sich nach zwei Stunden nonstop Spielen fühlt. Faustregel: Fokussieren Sie sich auf Vorteile, nicht auf Vorurteile. Andererseits können Enkelkinder auch ihre Empathiefähigkeit schulen, indem sie den Grosseltern mit Zuneigung und Geduld die vielen Möglichkeiten des Handys erklären, ohne sie dabei zu belächeln.
Wo gibt es Herausforderungen, weil Jugendliche und Kinder heute anders aufwachsen?
Das digitale Zeitalter hat den Alltag beschleunigt. Jugendliche leben vermehrt in verschiedenen Welten gleichzeitig. Vor ein paar Tagen habe ich zwei Jugendliche im Zug beobachtet, wie sie beide ein Gespräch führten und beide gleichzeitig ihr Handy anstarrten, wo sie beide in einen anderen Chat involviert waren. Diese Gleichzeitigkeit hat wiederum einen Einfluss auf die Verbindlichkeit. Während ältere Menschen sich problemlos verabreden können für einen fixen Termin in einem Monat, gilt ein Termin für Jugendliche bis etwa 20 Minuten vor dem Treffen als provisorisch, denn man könnte ja kurzfristig einen wichtigeren Termin via Chat erhalten.
Wie wendet sich ein Senior an eine junge Person, um Unterstützung bei der Nutzung digitaler Medien zu holen, ohne Genervtheit auszulösen oder jemandem zur Last fallen?
Ganz offen, ungeniert und ehrlich! Zwischen Grosseltern und Enkel ist dies ganz anders als zwischen Eltern und Kinder. Wenn Papa oder Mama etwas nicht begreift, empfinden die Jungen dies als peinlich. Wenn jedoch Grosseltern um Hilfe bitten, sehen sich Enkel in ihren (Anwender)-Kompetenzen bestätigt (von den Eltern gibt es selten solche Komplimente) und nehmen sich in der Regel gerne Zeit, um Grossmami oder Grosspapi zu unterstützen.
Sehen Sie die Online-Angebote eher als Bedrohung oder Chance für den Dialog zwischen den Generationen?
Seit Paracelsus wissen wir, dass es allein die Menge ist, die zwischen Heilmittel und Gift unterscheidet. So können Bildschirmmedien geniale Diskussionen, Ratespiel-Abende bis hin zu moralphilosophischen Auseinandersetzungen zwischen jung und alt ermöglichen (versuchen Sie es mal mit einem ethisch-moralischen Entscheidungsspiel, das von KI beantwortet wird). Genau so können Bildschirme regelrechte Barrieren sein, hinter denen sich junge Menschen verstecken. Solange digitale Medien Mittel zum Zweck sind (gemeinsam Fotos anschauen, spielen, Rätsel lösen, Diskussionen führen, Wissen erweitern etc.) gewinnen alle Generationen.
Was tun, wenn die Enkelkinder an kaum etwas anderem als Online-Gamen interessiert sind?
Hier sind die Eltern gefragt und sollten unbedingt klare Regeln aufstellen. Falls ein sinnvoller Austausch zwischen alt und jung durch konstantes Gamen verunmöglicht wird, sollten die Eltern auf einen Geräteentzug pochen. Die Kinder werden in ein paar Jahren dankbar dafür sein.