Wussten Sie, dass fast die Hälfte aller Frauen nach der Menopause hin und wieder beim Lachen, Niesen, Husten oder beim Sex Urin verlieren? Und dass durchschnittlich eine von 10 Frauen wegen eines Genitalprolapses (Senkung der Blase, der Gebärmutter und/oder des Rektums durch den Beckenboden) operiert wird? Diese Statistiken der gynäkologischen Abteilung des Universitätsspitals Genf (HUG) zeigen, wie häufig diese Beschwerden vorkommen. Über dieses Thema wird geschwiegen – obwohl das Durchschnittsalter der Betroffenen bei 50 Jahren liegt. Vor diesen Frauen liegen also noch viele Jahre mit Beschwerden, wenn nichts gegen diese Probleme unternommen wird.
Was ist das Perineum und wo befindet es sich?
Sicherlich kennen Sie das unangenehme Gefühl: Sie müssen auf die Toilette, aber nirgends ist ein stilles Örtchen zu finden. Die Muskeln Ihres Beckenbodens sorgen nun dafür, dass nichts daneben geht. Der Beckenboden hält einerseits die inneren Organe an Ort und Stelle, andererseits aber auch das dringende Bedürfnis in Schach. Diese Ansammlung von Muskeln und Sehnen, die vom Schambein bis zum Steissbein reichen, halten die inneren Organe wie die Blase und den Enddarm, ähnlich einer Hängematte. Beim Tragen einer schweren Last, beim Husten oder Lachen federt der Beckenboden die Kraft ab und sorgt dafür, dass die Organe nicht verrutschen. Die Harnblase sitzt auf einer Muskelschicht, und die Harnröhre durchquert diesen Muskel, um oberhalb der vaginalen Öffnung und unterhalb der Klitoris Urin herauszulassen. Man nutzt diese Muskeln, wenn man versucht, den Urinstrahl zu halten oder einen vollen Tampon festzuhalten.
Wenn der Beckenboden beschädigt oder überdehnt wird, etwa durch eine Geburt, häufiges schweres Tragen oder durch Übergewicht, kann die Harnblase heruntersacken und hängt anschliessend in die Vagina hinein. Wenn die Schwäche sehr ausgeprägt ist, spricht man von einem “Blasenvorfall”.
Wie erkenne ich eine Organsenkung?
Wenn die Beckenbodenmuskeln versagen, kann es zum unerwünschten Verlust von Urin oder Stuhlgang oder sogar zu einer Organsenkung kommen, zum Beispiel einem Gebärmuttervorfall (wenn die Gebärmutter in die Vagina absinkt), einer Zystozele (wenn die Blase in die Vagina rutscht) oder einer Ureterozele (wenn der Harnableitungsgang der Blase in die Vagina wandert). Es kommt zwar deutlich seltener vor, aber auch Männer können eine Organsenkung erleiden, zum Beispiel, wenn ihnen aufgrund einer Krebserkrankung die Prostata entfernt wurde. Hin und wieder kommt es dann zu einem Rektumprolaps, dabei rutschen Teile des Enddarms über den After nach aussen.
Eine Organsenkung kann folgende Symptome mit sich bringen:
- Druck- oder "Kugelgefühl" in der Vagina
- Schmerzhaftes Gefühl im Unterbauch
- Beschwerden im Verdauungstrakt
- Entzündung und/oder Infektion der vom Vorfall betroffenen Organe
- Unbehagen beim Geschlechtsverkehr
Den Beckenboden trainieren: die Beckenboden-Minute
Der Schlüssel zur Lösung lautet: regelmässiges Training. Der Beckenboden ist ein Muskel, den man nicht automatisch trainiert. Daher ist es wichtig, dieses Training gezielt anzugehen. Versuchen Sie daher, diese Übung in Ihr Abendritual einzubauen: Ziehen Sie immer, wenn Sie vor dem Schlafengehen die Zähne putzen, Ihren Beckenboden fünf Sekunden lang an, lassen Sie ihn dann fünft Sekunden lang los und so weiter, am besten mit mindestens fünf Wiederholungen.
Ich leide an Blasenschwäche. An welche medizinische Fachkraft wende ich mich?
Auch wenn Blasenschwäche an sich nichts Schlimmes ist, kann sie dennoch Beschwerden verursachen und den Alltag belasten. Wenn Sie eine beginnende Inkontinenz bemerken, sollten Sie mit Ihrer Gynäkologin, dem Urologen oder der Physiotherapeutin darüber sprechen. Diese Spezialisten können Sie beim Beckenbodentraining begleiten und Ihnen je nach Grad des Vorfalls passende Lösungen vorschlagen. Bei einfacheren Fällen reicht meist Muskelaufbau oder Elektrostimulation, bei schweren kann sich auch eine Beckenbodenoperation (Bandoperation) anbieten, um die Organe mithilfe eines Netzes nach oben zu ziehen. In etwa der Hälfte der Fälle kann die Gabe von Östrogenen helfen, weil es sich um eine hormonell bedingte Schwäche des Harnröhrenverschlusses handelt.
Trainiert Geschlechtsverkehr den Beckenboden?
Ja, das Zusammenziehen der Genitalien beim Geschlechtsverkehr oder bei der Masturbation stärken die Beckenbodenmuskulatur.
In jedem Alter wichtig
Der Beckenbodenmuskel will trainiert sein und zwar in jedem Alter. Dies gilt nicht nur für junge Mütter. Es ist wichtig, regelmässig den Beckenboden zu aktivieren.
Eines der grössten Probleme der Inkontinenz aber ist das Stigma und die Scham, die mit dieser Krankheit einhergehen. Viele Patientinnen behalten ihr kleines, undichtes Geheimnis lieber für sich, weil sie meinen, man könne nicht viel dagegen tun und es sei mit den Jahren normal, inkontinent zu sein. Dabei gibt es einiges, was man dagegen unternehmen kann! Beckenbodentraining hilft eben nur in bestimmten Fällen.
Quellen (auf Französisch):
https://www.hug.ch/gynecologie/gymnastique-du-plancher-pelvien